5 Anfängertipps fürs Rennstreckenfahren, die für mich funktioniert haben.

Kennst du das Gefühl in eine Kurve zu fahren und dann mitten in der Kurve festzustellen, dass du viel zu langsam bist?

Kennst du das Gefühl: „Oh, das wird eng!“ — Du denkst, du bist zu schnell für die Situation. — Nachdem der Schreck dann vorbei ist, löst sich die Verkrampfung und es folgt ein: „Das ist nochmal gut gegangen.“

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen:

Mein fahrerisches Limit liegt deutlich unter dem technisch physikalischen Limit des Motorrades, egal ob auf der Landstraße oder auf der Rennstrecke.

Wenn es mir gelingt das persönliche Limit näher an das physikalische Limit heran zu verlagern, dann gewinne ich auf der Straße Sicherheit und auf der Rennstrecke Geschwindigkeit und das ist mein Ziel.

Mit diesen 5 Tricks habe ich gute Erfahrungen bei der Weiterentwicklung meiner Fahrkünste gemacht:

  1. Locker sein
  2. Weit in die Kurve schauen
  3. Im größten Gang fahren
  4. In die Kurve rollen
  5. Auf dem Motorrad bewegen

Im Folgenden findest du alle Tipps im Detail erklärt. Ob sie auch für dich funktionieren wirst du herausfinden, wenn du sie ausprobierst.

Tipp 1: Locker sein

Mit „locker sein“ meine ich eigentlich genau gesagt: „nicht verkrampft auf dem Motorrad sitzen!“

Es geht hier nicht darum wie ein nasser Sack auf der Sitzbank zu hängen.

Das funktioniert genauso wenig, wie verkrampft das Motorrad auf den Kurs zwingen zu wollen, so wie ich es bei meiner ersten Rennstreckenfahrt relativ spaßfrei versucht habe.

Verkrampfte Postion in der Kurve.
Das ist nicht locker! Die Arme sind durchgestreckt, der Rücken gerade, die Hände umklammern den Lenkergriff. Das Motorrad will in Schräglage fallen, aber ich lasse es nicht zu. So wird die Kurve zur Zitterpartie und macht keinen Spaß. (Foto: racepixx)

Dieses Problem der fehlenden Lockerheit tritt häufig dann auf, wenn ich – naja, sind wir mal ehrlich – Angst bekomme.

Das ist typischerweise wenn:

  • ich mit ungewohnt schneller Geschwindigkeit unterwegs ist
  • ich eine ungewohnt hohe Schräglage fahre
  • ich über Fahrbahnstellen fahre, die ich eigentlich vermeiden will, wie Unebenheiten, Curbs, Ölspuren
  • es irgendwie „eng“ wird
  • das Motorrad sich unerwartet verhält,
  • die Strecke naß ist
  • usw.

Genau diese Situationen treten aber beim Rennstreckentraining am Anfang häufig auf und deshalb ist es gerade da wichtig vorbereitet zu sein.

Ich muss erreichen, dass ich das „locker sein“ so intensiv trainiere, dass ich unterbewußt immer unverkrampft auf dem Motorrad bin. Gerade in Schrecksituationen muß ich erst recht locker sein, damit das Motorrad die Möglichkeit hat sich um das Problem zu kümmern!

Es muss mir in Fleisch und Blut übergehen!

Warum ist es so wichtig auf dem Motorrad unverkrampft zu sein?

Seit ich mich mit dem Thema beschäftigt habe weiß ich: Ich bin ein wichtiger Teil des Motorrad / Fahrersystems und beeinflusse mit meiner Interaktion mit dem Motorrad wo die Fuhre hin geht. Bernt Spiegel nennt den Fahrer in seinem gleichnamigen, sehr lesenswerten Buch: „Den oberen Teil des Motorrades“ und er hat Recht.

Bin ich neutral auf dem Motorrad, dann wird es die Fahrtrichtung beibehalten und Störgrößen selbstregulierend ausgleichen.

Bringe ich allerdings Kräfte in den Lenker oder verlagere mein Gewicht, dann störe ich das Gleichgewicht des Fahrzustandes.

Das will ich auch erreichen wenn ich eine Kurve einleite. In dieser Situation musst ich kurzzeitig das Gleichgewicht stören, damit das Motorrad in Schräglage kippt. Danach stelle ich, mit Hilfe meines Körpers und meiner Intuition, einen neuen Gleichgewichtszustand her, der genau dem Kurvenverlauf entspricht.

Damit das funktioniert, musst ich meinen eigenen Körper unter Kontrolle haben und das setzt Körperspannung voraus. Halte ich eine Körperspannung aufrecht, dann versetzt mich das in die Lage mein Körpergewicht so in das Motorrad einzuleiten, dass sich dieses Gleichgewicht einstellt.

Du kannst dir das vorstellen, als wenn an den Kontaktstellen zwischen mir und dem Motorrad Gelenke eingebaut wären. Das Motorrad kann dadurch ungehindert die Bewegungen ausführen, die notwendig sind, um die intendierte Fahrtrichtung einzuschlagen.

Mit „verkrampft sein auf dem Motorrad“ meine ich, den Lenker fest zu arretieren und vielleicht sogar das Gewicht meines Oberkörpers auf dem Lenker abzustützen, so dass ich und das Motorrad fest und starr miteinander verbunden sind. Wenn ich in diesem Zustand versuche die Richtung des Motorrades zu kontrollieren, dann wird mir das nicht gut gelingen.

Um das zu verdeutlichen kannst du einen ungefährlichen Versuch machen. Setze dich mal bitte auf ein Fahrrad und versuche während der Fahrt den Lenker ganz fest gerade aus zu halten, die Hände halten die Griffe so fest wie du kannst, die Ellenbogen sind durchgestreckt und du trittst ganz fest auf die Pedalen hältst den Rahmen genau senkrecht, ohne dass er auch nur ein bisschen nach rechts oder linkt wackelt.

— Du wirst nicht weit kommen. —

Das, was auf dem Fahrrad funktioniert: spielerisch Kräfte einleiten, im Unterbewusstsein mit dem Körper das Gleichgewicht halten und dabei der Rahmengeometrie des Fahrrades vertrauen, das fällt auf dem Motorrad in bestimmten Situationen schwer. Häufig gerade dann, wenn man mit der Situation nicht komfortabel ist. Dann helfen Tricks, um sich diese Lockerheit zu erarbeiten und komfortabel zu werden.

Tipps, wie ich „locker bleiben“ trainiere

Die Lenkergriffe locker in den Händen halten.

Ich habe mir angewöhnt beide Hände am Lenker ganz leicht zu öffnen und den Lenker kurz locker zu lassen, bevor ich eine Aktion auf dem Motorrad mache. Zum Beispiel bevor ich in die Bremse greife, bevor ich ans Gas gehe oder wenn ich mich auf der Geraden hinter die Verkleidung ducke. Und zwar jedes Mal!

Ich habe gehört, dass manche Fahrer sich einen kleine Aufkleber irgendwo im Blickfeld auf das Motorrad kleben, der sie erinnert locker zu lassen, wenn der Blick darauf fällt. Für mich funktioniert meine Version besser, weil sie inzwischen in Fleisch und Blut übergegangen ist und auf der Rennstrecke schaue ich ja auf die Straßen und nicht aufs Motorrad.

Dann gibt es da noch die Geschichte von den Vögelchen in den Händen, die man nicht erdrücken will. Du wirst das bei fast jedem geführten Training erzählt bekommen. Das scheint ein gute Geschichte zu sein, sonst würde sie nicht so oft erzählt. Ich jedenfalls habe es noch nicht geschafft auf der Rennstrecke an Vögelchen zu denken.

Ellenbogen anwinkeln, den Oberkörper nach vorn neigen und die Bauchmuskeln anspannen.

Das ist inzwischen meine Grundhaltung auf dem Motorrad!

  • Nie Ellenbogen durchstrecken, auch nicht beim Bremsen,
  • nie den Rücken durchdrücken,
  • nie den Oberkörper auf dem Lenker abstützen!

Auf der Rennstrecke halte ich diese Haltung einen ganzen Turn durch, auf der Straße bei langen Strecken mache ich öfter eine Pause. Um ehrlich zu sein will ich zugeben, dass ich aus diesem Grund mit der DoppelR keine größeren Touren fahre.

Mund locker lassen.

Ich wollte es nicht glauben, aber ich musste es einsehen. Es stimmt!

Ich steuere die Lockerheit meines Körpers auch mit dem Mund.

Habe ich die Lippen oder sogar die Zähne aufeinander gepresst, dann ist der ganze Körper verkrampft.

Ich habe mir angewöhnt beim Motorradfahren den Mund immer einen Spalt offen zu haben. Es sieht ja unter dem Helm niemand, aber es hilft mir spürbar den ganzen Körper lockerer zu halten. Außerdem bekomme ich besser Luft, wenn es anstrengend ist.

Idealerweise sollte immer ein kleines Lächeln auf dem Gesicht liegen. Wer lächelt, der kann nicht gleichzeitig verkrampft sein. Das kannst du auch mal ausprobieren.

Immer etwas Druck auf den Fußrasten und dafür locker auf dem Sitz.

Ich versuche mein Körpergewicht auf den Fußrasten abzustützen, indem ich bewußt die Fußrasten belaste und den Hintern gefühlt leicht anhebe. Das geht in die Oberschenkel! Die Oberschenkel sind der Körperteile, in denen ich nach jedem Motorradwochenende Muskelkater habe! Deshalb versuche ich mit Fahrradfahren meine Oberschenkelmuskeln zu trainieren. Nach jeder Fahrradfahrt mache ich noch eine „Plank“ für die Bauchmuskeln.

Lockere, gespannt Sitzposition.
So sieht das bei mir aus, wenn der Anfänger das Lockersein trainiert. Rücken und Arme gebeut, Bauchmuskeln angespannt, Hände locker. (Foto: racepixx)

Tipp 2: Weit in die Kurve schauen

Nachdem ich nun locker und unverkrampft mit meinem ganzen Körper das Motorrad unterbewußt kontrolliere, muss ich sicherstellen, dass mein Blick den Körper informiert, wo es hingehen soll!

Du hast richtig gelesen! Nicht der Verstand, nicht der Wille entscheidet darüber, wo ich in der Realität entlang fahre, sondern mein Blick!

Meine Blickführung ist die vom Bewusstsein steuerbare Eingangsgröße. Ich muß lernen sie richtig einzusetzen!

Das Motorrad fährt dahin, wo ich hinschaue.

Für mich war die entscheidende und wichtigste Erkenntnis:

Ich muss mich zwingen immer in die Kurve reinzuschauen.

Das ist besonders wichtig wenn ich das Gefühl habe, dass ich zu schnell bin!

  • Nicht in den Notausgang schauen.
  • Nicht ins Kiesbett schauen.
  • Nicht mit dem Blick nach irgendeiner vermeintlichen Lücke oder alternativen Linie suchen.
  • Nicht in die Reifenstapel schauen.
  • Nicht auf die Curbs schauen, wenn ich nicht wirklich darüber fahren will!

Immer ganz stur den Kopf nach innen drehen und so weit es nur irgendwie geht zum Kurvenausgang schauen! Wenn ich das geschafft habe, habe ich bisher dann auch immer die Kurve doch noch zu Ende gefahren, ohne zu stürzen.

Blickführung am Kurveneingang
In dem Bild kann man durch die Spiegelung im Visier sehr schön sehen, wo ich hinschaue. Der Blick geht dahin, wo die Straße aus dem Blickfeld verschwindet. (Foto: racepixx)

Selbst wenn es mal wirklich zu schnell sein sollte, führt diese Blickführung zur glimpflichsten Sturzvariante. Das Motorrad rutscht dann auf der kurveninneren Seite dem Fahrer voraus ins Kiesbett und ich rutsche hinterher. Das nennt man „Low Sider“, weil das Motorrad auf der tiefen Seite auf den Asphalt fällt.

Auf der Rennstrecke bin ich deutlich schneller als auf der Landstraßen und deshalb muss ich ungewohnt weit in die Ferne schauen. Interessanterweise ist mein Gehirn in der Lage trotzdem auch Informationen über den Bereich kurz vor dem Motorrad wahrzunehmen, auch wenn der eigentliche Blick nach viel weiter vorn geht.

Andersrum ist das nicht der Fall. Schaue ich direkt vors Motorrad, dann sehe ich auch nur direkt vor dem Motorrad, für die Strecke dahinter bin ich dann blind. Geht der Blick weit nach vorn, dann habe ich also das größte Wahrnehmungsfeld!

Den richtigen Helm aussuchen.

Achte auf das Sichtfeld deines Integralhelms!

Ich habe festgestellt, dass es auf der Rennstrecke wichtig ist einen Helm zu tragen, der für die Rennhaltung ausgelegt ist und nicht auf das Tourenfahren. Wenn der Helm die richtige Blickführung nicht ermöglicht, dann ist das für mich ein Problem. Schauen wir uns das am Beispiel meiner Helme mal an.

Sichtfeldvergleich meiner Helme

Ich benutze im Augenblick drei Helme. Auf dem Bild kannst du sehen, dass das Sichtfeld vom Schuberth und vom AGV annähernd gleich groß ist, der Arai hat ein deutlich kleineres Visier. Das ist aber gar nicht der entscheidende Punkt. Es kommt vielmehr darauf an, wie der Helm auf dem Kopf sitzt und wo sich die Augen im Sichtfeld befinden.

Sichtfeld Schuberth Helm
Schuberth S2 Sport

Der älteste Helm in meiner Sammlung ist der Schuberth S2, er passt farblich zur TRX, dafür habe ich ihn mir gekauft. Die Augen befinden sich oberhalb der Mitte des Sichtfeldes. Wenn ich mich nach vorn neige, dann verdeckt die Helmkante den Blick nach vorn.

Auf den Bildern weiter oben siehst du mich mit dem Schuberth auf der BMW. Du kannst erkennen, dass die Sicht bei dem geringen Beugungswinkel des Oberkörpers schon am Limit ist. Ich hätte mich gar nicht weiter nach unten beugen können, weil ich dann nichts mehr gesehen hätte.

Dieser Helm behindert meine Körperhaltung, deshalb nehmen ich ihn inzwischen gar nicht mehr mit zur Rennstrecke. Das ist ein Helm fürs aufrecht fahren. Er hat seine Zukunft auf der Landstraße zusammen mit den Lederhosen ohne Knieschleifer. Der Vorteil von diesem Helm ist das eingebaute, herunterklappbare Sonnenvisier.

Sichtfeld Arai Helm
Arai Chaser V

Einen Schuberth bei der Fahrt auf einer klassischen Yamaha Rennmaschine? Das geht gar nicht, dachte ich mir. Das ist nicht zeitgemäß.

Auf der Verkleidung meiner TZ klebt ein Arai Aufkleber! Der war da schon dran, als sie noch im Einsatz war. Die Rot / Weiß Lackierung des Helmes passt zur Originallackierung der TZ, in den Farben der japanischen Flagge. Ich habe den Helm gesehen, als ich im Schwabenlederladen war und habe ihn gleich gekauft.

Die Augen befinden sich beim Arai Chase V ungefähr in der Mitte des Sichtfeldes. Der Abstand zwischen Augenbrauen und Oberkante des Sichtfeldes ist deutlich größer als beim Schuberth. Das sieht schon mal besser aus.

Blickführung mit Arai Helm
Blickführung mit Arai

Leider ist aber auch der Arai nicht perfekt. Wenn ich mich stark nach vorn beuge, dann setzt der Helm hinten in Nacken auf und wird nach vorn ins Gesicht geschoben und dann sehe ich wieder nichts. Du siehst das auf diesem Bild, die Köperhaltung ist deutlich niedriger als bei den oberen Bildern, aber der Blick ist auch hier eingeschränkt. Der Helm sitzt viel tiefer als auf dem Bild darüber, weil er durch den Nacken nach unten gedrückt wird.

Sichtfeld AGV Helm
AGV Corsa

Nachdem mir die Problemstellung der verdeckten Sicht bewußt geworden war, habe ich im Internet gesucht, was ich dazu finden kann. Auf der AGV Homepage wurde über das große Sichtfeld des Helmes geschrieben, während ich bei den anderen Herstellern häufig gar nichts zu dem Thema lesen konnte.

Also habe ich mir den AGV Corsa im Marco Simonchelli Design bestellt und bin nicht enttäuscht worden.

Die Augen sitzen unterhalb der Mitte des Sichtfeldes und es ist extrem viel Platz nach oben. Auch der Nacken ist hoch geschnitten, so das der Helm nicht verrutscht. So ist das für mich perfekt, mit dem Helm verspüre keinerlei Limits beim Blick.

Hier noch ein Bild zur Bestätigung. Die Körperhaltung ist schon ziemlich tief. Ich kann da zwar schon noch ein ganzes Stück weiter runter, aber beim Sichtfeld habe ich auch noch Reserve.

Blickführung mit dem AGV Corsa

Rechtzeitig den Blick lösen.

Um die richtige, flüssige Linie zu fahren, suche ich an der Strecke Fixpunkte, die ich mit den Augen anvisiere. So fahre ich von Punkt zu Punkt.

Ich suche vor der Kurve eine Markierung:

  • wo ich das Gas wegnehme, bzw. anfange zu bremsen,
  • wo ich einlenke
  • wo ich den Scheitelpunkt der Kurve setze,
  • wo ich den am weitesten außen liegenden Punkt am Kurvenausgang treffen will

Diese Blickpunkte können Markierungen auf der Strecke sein, wie Curbs, grün, rot, weiß lackierte Streckenbegrenzung. Es können aber auch Streckenüberführungen, Werbetafeln, Streckenposten, Rettungswege usw. sein.

Es ist extrem wichtig, dass ich diese Orientierungspunkte mit dem Blick wieder loslasse und schon zum nächsten Punkt schaue, lange bevor ich wirklich da bin!

Auf gar keinen Fall mit dem Blick kleben bleiben! Bleibt der Blick auf die Markierung geheftet, bis ich sie erreicht habe, dann bin ich viel zu spät für die nächste.

Ich schaue den Punkt an, denke: „Ich hab dich gesehen!“ und lenke den Blick schon zur nächsten Markierung.

Mein Unterbewusstsein ist in der Lage, die gewünschte Aktion (bremsen, einlenken, usw.) an der richtigen Stelle auszuführen, obwohl mein Fokuspunkt schon weiter gewandert ist. Darauf kann ich vertrauen, auf wundersame Weise funktioniert das!

Tipp 3: Im größten Gang fahren

Als ich einige Runden auf dem kleinen Handlingskurs in Boxberg gefahren bin, fragt mich der Instruktor: „In welchem Gang fährst du?“

Ich antworte: „Im dritten.“ Er sagt: „Nimm den sechsten!“

Das ist ein Wort! Der kleine Handlingkurs ist wirklich sehr klein und sehr winklig. Aber die BMW kann das! Das ist der Vorteil von einem hubraum- und damit drehmomentstarken Motorrad.

In der Tat bin ich danach einige Trainings komplett ohne zu schalten, nur in einem Gang gefahren, immer im größten!

Was sind die Vorteile?

  • Ich kann mich erstmal nur auf die Linie konzentrieren und brauche mir keine Schaltpunkte und Gänge zu merken.
  • Das Motorrad beschleunigt aus der Kurve heraus nicht so stark. Damit bin ich an der nächsten Kurve nicht zu schnell.
  • Ich brauche mir keine Sorgen zu machen, dass ich den Motor beim runterschalten überdrehe.
  • Es gibt keine Unruhe im Fahrwerk durch Schaltvorgänge und Lastwechsel.
  • Und vor allem bei Motorrädern ohne Traktionskontrolle ist die Gefahr geringer, dass das Hinterrad beim Beschleunigen den Grip verliert und weggeht. Das gibt einen High Sider und der tut weh!

Mit diesem Vorgehen habe ich keine Rundenrekorde erzielt. Das ist am Anfang auch nicht das Ziel. Ich konnte aber immer ohne Probleme an der Gruppe dran bleiben.

Ich will erst eine runde Fahrweise lernen, die Linie und die Möglichkeiten des Motorrades erspüren. Da ist es am Anfang sinnvoll, das Schalten erst einmal wegzulassen.

Die erste Zeit bin ich alles im sechsten Gang gefahren. Später habe ich kleinere Gänge genommen. Sie ermöglichen höhere Geschwindigkeit in den Kurvenkombinationen, weil das Motorrad aus der Kurve heraus schneller beschleunigt. Ich schalte dann auf den langen Geraden hoch und am Ende der Geraden wieder herunter auf den Gang, mit dem ich die kurvigen Streckenabschnitte befahre. Auch in dieser Lernphase sind es wenige Schaltvorgänge pro Runde.

Inzwischen versuche ich den richtigen Gang für jede Kurve zu finden. Das ist gar nicht so einfach und gelingt mir noch nicht durchgängig gut. Ich fange aber immer von einem großen Gang an und arbeite mich gangweise runter, bis ich das Gefühl habe, den richtigen Gang für zügiges herausbeschleunigen aus der Kurve zu haben.

Tipp 4: In die Kurve rollen

Bei meinen ersten Rennstreckenfahrten habe ich vor dem Einlenken in die Kurve heruntergebremst. So, wie ich es vor 40 Jahren in der Fahrschule gelernt habe. Bremsen, solange das Motorrad noch aufrecht ist, damit der Kamm’sche Kraftschlusskreis vollständig für die Bremskräfte zur Verfügung steht.

Das Ergebnis: Ich bin im Kurvenscheitelpunkt viel zu langsam. Selbst für meine Verhältnisse.

Ich glaube das ist für Rennstreckenanfänger normal. Es fehlt das Gefühl:

  • Welche Kurvengeschwindigkeit die Richtige ist.
  • Wie stark der Motor weiter bremst, nachdem man den Bremshebel schon wieder losgelassen hat.
  • Welche Bremswirkung der Reifenschräglauf bei hoher Kurvengeschwindigkeit durch die hohen Seitenführungskräfte bewirkt.

Jetzt wird es verrückt! Ich habe mir vorgenommen das Bremsen wegzulassen, damit der Kurvenspeed zunimmt!

Wirklich, ganz im Ernst!

Also habe ich die Finger komplett von der Bremse gelassen und habe mich gezwungen, ohne zu bremsen in die Kurve reinzurollen. Erst mal ruhig schon sehr zeitig vor der Kurve das Gas weggenommen, Hauptsache nicht bremsen! Dabei immer den Blick ganz weit rein in die Kurve.

Danach Runde für Runde immer später Gas wegnehmen und immer zügiger rein in die Kurve.

Übrigens ist es eine gute Angewohnheit die Finger nur dann an den Bremshebel zu legen, wenn ich wirklich sicher bin, dass ich bremsen will. Die restliche Zeit umfasse ich mit der kompletten Hand den Gasgriff.

Dadurch kann ich Schreckbremsungen vermeiden, bei denen der Finger im Affekt am Bremshebel zieht. Das sind gefährliche Situationen, weil Affekthandlungen nie gut für die Fahrphysik sind. Sie bringen im falschen Moment Unruhe ins Motorrad und bewirken im schlimmsten Fall, dass der Grip am Vorderrad verloren geht.

Die Fußbremse existiert bei der BMW auf der Rennstrecke für mich nicht. Die Vorderrad-Zweischeibenbremse hat mehr als ausreichend Bremsmoment und das Integralbremssystem der BMW erledigt die Betätigung der Hinterradbremse automatisch.

Ich bin mal gespannt, wie sich das auf der Yamaha TZ anfühlen wird. Der Zweitakter hat keine Motorbremswirkung und die Zweikolben-Einscheiben-Vorderradbremse läßt auch keine Rekordbremswerte zu. Darüber werde ich bestimmt demnächst mal was zu schreiben haben.

Jetzt aber zurück zur BMW. Ich übe das reinrollen ohne bremsen so lange, bis ich das Gefühl habe, dass die Geschwindigkeit im Kurvenscheitelpunkt passt.

Trail Braking lernen

Als nächster Schritt kommt jetzt das erlernen des „Trail Brakings“.

Ich rolle immer schneller in die Kurve rein und lege in dem Moment, an dem ich einlenke, die Finger ganz leicht an die Bremse und bremse ganz sanft bis zum Kurvenscheitelpunkt.

Das Vorderrad fühlt sich auf einmal deutlich stabiler an. Durch das Bremsen mit der Vorderradbremse erzeuge ich eine dynamische Achslastverlagerung auf das Vorderrad, so dass dieses höhere Haftung bekommt und mehr Seitenführungskräfte übertragen kann.

Ich steigere das jetzt immer weiter, nehme immer später das Gas weg, rolle immer schneller in die Kurve und bremse am Anfang des Bremsvorganges entsprechend stärker. Um so stärker ich anbremse, umso mehr muss ich zum Kurvenscheitelpunkt hin die Bremse wieder rauslassen, damit das Rad die größer werdenden Seitenführungskräfte übertragen kann.

Stand heute nehme ich immer noch deutlich zu früh das Gas raus, dann fange ich an stark zu bremsen, lenke ein und lasse die Bremse langsam und gefühlvoll raus. Inzwischen habe ich das Gefühl, dass die Geschwindigkeit im Kurvenscheitelpunkt für die Straßenreifen schon ganz gut passt. Mein Potential liegt darin, noch später das Gas weg zu nehmen und am Anfang des Bremsvorganges noch stärker in die Bremse zu gehen,

Tipp 5: Auf dem Motorrad bewegen

An dieser Stelle reden wir jetzt über das „Hanging Off“ auf der Rennstrecke.

Klar musst ich mich auch im Straßenverkehr auf dem Motorrad bewegen, aber ich darf und will da nicht so schnell fahren, dass extreme Körperlagen notwendig sind. Im Straßenverkehr fahre ich zügig, aber gesittet.

Auch auf der Straße setze ich mich vor der Kurve zur Kurveninnenseite, drehe das Knie und den Oberkörper zur Kurveninnenseite, winkele den kurveninneren Arm stärker an und drehe den Kopf in die Kurve. Im Straßenverkehr ist es wichtig den Körper so zu positionieren, dass immer die Möglichkeit besteht auf unvorhersehbare Ereignisse schnell zu reagieren und den Kurs der Motorrades anpassen zu können. Deshalb ist die Körperposition nie extrem.

Anders ist es auf der Rennstrecke. Unvorhersehbaren Ereignisse wie Fahrradfahrer in der Kurve oder Traktoren, die auf einmal auf der Straße auftauchen, kommen hier nicht vor. Ich kenne die Strecke ganz genau und Streckenposten zeigen mir die dennoch auftretenden Gefahrenstellen mit Flaggensignalen rechtzeitig an. Unter diesen Randbedingungen kann ich extreme Körperpositionen einnehmen, die bedingungslos auf hohe Kurvengeschwindigkeit ausgerichtet sind.

Um die Kurvengeschwindigkeit zu steigern, soll die Schräglage des Motorrades, trotz der hohen Geschwindigkeit und damit auch hohen Fliehkraft, reduziert werden. Das ermöglicht es dem Reifen die Seitenführungs- oder Beschleunigungskräfte optimal übertragen zu können. Das erreiche ich, indem ich die Schräglage des Systems Motorrad/Fahrer aufteile in geringere Schräglage des Motorrades, aber dafür höhere Schräglage meines Körpers, dem „oberen Teil des Motorrades“.

Meine erste Erkenntnis ist, dass meine Körperposition bei weitem nicht so extrem ist, wie es sich anfühlt. Das sehe ich auf den Fotos am Ende der Veranstaltung.

Fahrer und Motorrad in der Kurve von hinten
Da geht noch einiges mehr! Am Anfang ist die Körperposition auf dem Foto viel konservativer, als es sich während der Fahrt anfühlt.

Auch wenn es teuer ist, ich halte es für eine gute Investition, die Bilder des Veranstaltungsfotografen zu kaufen. Mit ihrer Hilfe bekomme ich wertvolles Feed Back über meine Haltung.

Noch besser sind natürlich Videoanalysen der Instruktoren. Ich bin der Meinung, es sollte zum Standard bei allen geführten Trainings gehören. Manchmal habe ich einen anderen Teilnehmer, der eine Kamera an seinem Motorrad befestigt hatte, gefragt, ob er ein paar Runden mit mir fährt und mir hinterher das Video schickt. Ich habe auch eine Kamera direkt an meine Motorrad gebaut, welche mich beim Fahren filmt, so dass ich es mir zu Hause ansehen kann.

Beim trainieren des Hanging off bin ich bin schrittweise vorgegangen.

Am Anfang bin ich mit meinem gewohnten, straßenorientierten Fahrstil auch auf der Rennstrecke gefahren. Auch da habe ich das Körpergewicht in Richtung Kurve verlagert.

Im zweiten Schritt habe ich mich darauf konzentriert bei gleicher Kurvengeschwindigkeit den Körper stärker zu verlagern und das Motorrad aufrechter zu stellen. In dieser Phase hat sich die Schräglage des Motorrades um 3 bis 5° reduziert. Die BMW zeigt das ja an. Ich war echt überrascht, dass es so viel Unterschied war.

Stärker verlagern bedeutet, mich immer weiter neben die Sitzbank zu setzen, immer stärker nur auf der kurveninneren Raste zu stehen, den kurveninneren Ellenbogen immer stärker abzuwinkeln.

Danach habe ich dann die Geschwindigkeit so weit gesteigert, dass die Motorradschräglage wieder ungefähr die gleiche Größe hat wie am Anfang betrug, so zwischen 55° und 58°.

Im vierten Schritt arbeite ich jetzt an meiner Fitness. Ich will mit Fahrradfahren und Krafttraining erreichen, dass ich einen ganzen Tag durchhalte. Heute ist mein bester Turn der zweite Turn am Tag, danach baut die Kondition merklich ab.

Beim ersten Turn gewöhne ich mich an die Strecke und fahre mich ein. Beim zweiten bin ich top fit. Beim dritten bin ich froh, dass gleich die Mittagspause kommt. Nach dem Mittag geht es nochmal super, aber am letzte Turn des Tages versuche ich dann nur noch, mich auf dem Motorrad zu halten. Das ist dann der Turn des Tages, wo ich mich nochmal auf die saubere Linie konzentriere und jeglichen Rundenzeitenehrgeiz bei Seite lasse.

Tipps

  • Der größte Teil des Körpergewichtes liegt auf dem Ballen der kurveninneren Fußes. Auf diesem Bein ist die größte Spannung.
  • Der kurvenäußere Fuß drückt auf die Fußraste und versucht dadurch das Motorrad auch bei der maximalen Schräglage im Kurvenscheitelpunkt aufzurichten
  • Der kurvenäußere Oberschenkel liegt so großflächig wie möglich am Tank. Dafür ist es notwendig, dass die Sitzposition nicht zu weit hinten ist.
  • Am Kurvenausgausgang versuche ich das Motorrad mit dem Gas aufzurichten und zu vermeiden, mich am Lenker hochzuziehen!

Viel Spaß beim probieren!

Ich hoffe dir haben meine Tips gefallen. Schreib mir doch mal im Kommentar was deine Erfahrungen sind. Hast du Tipps, die ich nicht angesprochen habe? Dann teile sie bitte mit uns!

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2 Kommentare

  1. Vielen Dank für diese sinnvolle Zusammenstellung der Basics.

    Ich war letzte Saison zweimal auf der Rennstrecke – zum ersten Mal – und habe mir nach jedem Tag Notizen gemacht. Diese sind deinen sehr ähnlich aber nicht so gut strukturiert. Habe mir den Text abgespeichert und werde ihn mir für diese Saison vor den ersten Turns zur Brust nehmen. Top, danke!

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